der wunsch - eine Adventgeschichte zum nachdenken

„Was wünscht du dir denn heuer vom Christkind?“, fragt die Mutter. „Ich kann jetzt schon alleine eine Liste schreiben!“ Als sie fertig sind mit dem Frühstück, geht sie in ihr Zimmer und setzt sich an den Schreibtisch. Sie nimmt sich Papier und einen Bleistift aus der Schublade. Sie schaut vor sich auf das leere Blatt und überlegt, was sie aufschreiben möchte …

Da schwebt vor ihren Augen ein kleines Wesen herab. Es stellt sich mitten auf das weiße Papier. Mit einem Glitzerkleid. Wie das funkelt. Wunderhübsch, denkt sie. Es ist grün. Lila würde es ihr besser gefallen. Das ist ihre Lieblingsfarbe. Sie reibt sich die Augen. War das möglich? Hatte dieses Wesen tatsächlich einen roten und einen blauen Strumpf an? Und einen gelben und einen violetten Schuh? Ihr gefällt das. Sie muss kichern. Ihre Mama schlägt schon die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie zwei verschiedene Socken erwischt. Sie hat Angst es zu erschrecken. „Hallo Maya“, sagt da das winzige Wesen mit feiner Stimme. „Wer bist denn du?“, flüstert sie. „Ich bin die Wunschfee. Ich besuche die Kinder, um sie nach ihren Wünschen zu fragen. Hast du denn Wünsche?“ „Urviele“, sagt Maya. „Ja, ich habe sehr viele Wünsche“, verbessert sie sich. Es fällt ihr ein, dass Mama sie immer ermahnt, ganze Sätze zu sagen und das sie diese Wörter mit „ur“ nicht verwenden soll, weil die angeblich nicht so schön sind. Obwohl sie sie urgern mag.

„Ich wünsch mir eine neue Barbie, ein Pferd, das Affenspiel“, sprudelt es aus ihr heraus. Die kleine Fee schaut sie erwartungsvoll an. Maya stoppt und schaut dem Glitzerwesen ganz fest in die Augen. Dann flüstert sie: „Darf ich dir was verraten?“ „Alles, was du möchtest.“ „Ich hab in Wirklichkeit nur einen einzigen Wunsch! Aber den kann ich Mama nicht sagen, weil sie dann sofort zu weinen beginnt. Und ich will nicht, dass die Mama so oft weinen muss.“ „Du bist sehr tapfer Maya“, erwidert die Fee, „ich verrate es ganz bestimmt niemanden, wenn du es mir sagst.“ „Großes Indianerehrenwort?“, fragt Maya, wie es ihre Freundin Romy immer macht, bevor sie ihr ein Geheimnis verrät. „Großes Feenehrenwort!“ Das ist bestimmt genauso gut, denkt Maya. Sie lehnt sich ein Stück weiter nach vorne. „Am allermeisten wünsche ich mir, dass mein Papa wieder vom Himmel zurückkommt“, flüstert sie, so leise sie kann.

„Ich brauch auch gar keine Barbie und kein Spiel und gar nichts zu Weihnachten und zum Geburtstag“, hängt sie noch dran. „Oh, kleine Maya, leider kann selbst ich dir diesen Wunsch nicht erfüllen. Aber du kannst mir eine Nachricht für deinen Papa mitgeben. Ich werde sie ihm bringen.“ Maya bekommt ganz große Augen: „Echt, das kannst du?“

…Sie denkt kurz nach. „Sag ihm, dass ich ihn urlieb hab. Er fehlt mir so. Manchmal bin ich auch böse, weil er einfach weg ist. Aber ich wünsch ihm urviel Spaß beim Spielen mit den Engeln.“ Sie muss lächeln bei dem Gedanken, dass Papa mit den Engeln durch die Wiese hüpft, wie früher oft mit ihr. Sie hofft sehr, dass er jetzt glücklich ist, dort wo er ist. „Das ist eine schöne Botschaft, Maya. Dein Papa wird sich bestimmt sehr darüber freuen.“ Maya schaut sie immer noch mit großen Augen an: „Und vom Christkind wünsch ich mir ein Kätzchen zum Schmusen“, sagt sie mit leiser Stimme.

Mit wem plauderst du denn?“, fragt die Mutter, die gerade bei der Tür hereinschaut, „komm Anziehen, wir gehen zur Oma!“ Und schon hat sie sich wieder umgedreht und ist weg. Maya blinzelt. Hat sie geträumt? Aber ich bin noch nie am Tisch eingeschlafen, denkt sie. Sie schaut sich um. Nichts mehr zu sehen von der Glitzerfee. Da sieht sie vor sich auf dem Tisch etwas funkeln. Sie schaut genauer. Da liegen ein paar goldene Glitterstückchen mitten auf dem weißen Blatt. Sie lächelt und ist froh.