faul

„Er ist faul!“ Das habe ich unzählige Male erzählt bekommen in meiner Praxis als Psychologin und Psychotherapeutin. Meine Antwort: Können Sie mir das bitte erklären, ich kann mir da drunter nichts vorstellen. Ein erstaunter Blick, hochgezogene Augenbrauen. Ich ermutige: Ja bitte, was meinen Sie denn damit?

Dann beginnt das Hirn zu rattern. Ich kann es sehen. Ich störe. Kann ich mich nicht einfach zufriedengeben, wie die vielen Menschen davor auch schon? Oder noch besser, vielleicht sogar zustimmen? Nein, leider, da bin ich hartnäckig. Und dann kommen Erklärungen, die auch ich verstehen kann. „Er lernt zuwenig für die Schule.“ Er hat keine Lust, Hausaufgaben zu machen.“ „Er hilft mir nicht mit dem Geschirr.“  Ahja, jetzt können wir gemeinsam überlegen, warum das so ist und was es braucht, damit das Leben wieder einfacher wird.

Wenn wir uns darauf einigen, dass er faul ist, dann kann ich leider auch nicht helfen!

Ein chronisch kranker Jugendlicher, der zum wiederholten Male im Krankenhaus aufgenommen ist, meint: „ Ich bin ja nur faul. Alle sagen das, auch die Leute im Krankenhaus.“ Ich schaue ihn erstaunt an. Dann erzähle ich ihm, was ich von ihm weiß, was er schon alles erschaffen und geschafft hat in der Vergangenheit und was er, abseits seiner Erkrankung auch derzeit jeden Tag schafft. Also ich weiß, dass du kein „fauler“ Bursche bist. Er will hartnäckig bleiben: „Ja das stimmt, aber alle sagen das!“ Hmm, naja, jetzt bist du hier und ich sage was anderes. Stell dir mal vor, wir streichen das Wort „faul“ einfach aus dem Wortschatz und du müsstest ein neues Wort stattdessen finden, um zu beschreiben, warum es so schwer ist, dich  ausreichend um deine Gesundheit zu kümmern, was würdest du sagen?  Er denkt, denkt, denkt … „Gleichgültig!“ Wusch, das sitzt, bei mir und bei ihm. Ok, darunter kann ich mir jetzt was vorstellen und da können wir versuchen herauszufinden, warum es dir gleichgültig ist, ob du gesund oder krank bist. Und auch, ob und wie du das ändern kannst.

Wir sind beide berührt.

Beim Gehen ein Tipp von mir: Wenn das nächste Mal im Krankenhaus oder in der Wohngemeinschaft jemand sagt, du bist „faul“, dann antworte doch einmal mit „ich bin nicht faul, ich bin gleichgültig“. Und dann erzähl mir, was passiert ist.

„FAUL“- was für ein tolles Wort, um sich nicht berühren zu lassen und um sich selbst vor der Wirklichkeit zu verschonen. Und zwar immer, egal, ob wir es über jemand anderen sagen oder über uns selbst.